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Das Gespensterpferd

 

 

DAS GESPENSTERPFERD - LESEPROBE: AUSZUG aus dem ACHTEN KAPITEL: NACHTWACHE

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Vorbemerkung: Der neue Zuchthengst des Huber scheint nicht von dieser Welt zu sein. Er frisst nicht, lässt sich nicht anfassen und kommt und geht, wie es ihm gefällt. Max und Micha erhalten den Auftrag, das Pferd zu bewachen. Trotzdem verschwindet es in der Nacht, ohne eine Spur zu hinterlassen. Ist es Pegasus, das Götterpferd, wie manche glauben, oder eine gefährliche Kreatur aus der Hölle, die Tod und Verderben auf die Welt bringen wird? Ein Auftrag für die Junior-Detektive, der die Pforten zum Jenseits zu öffnen scheint und ihnen ihre Grenzen aufzeigt.
 
 
 
Leseprobe: Max war wohl kurz eingedöst, als er auf einmal aufschreckte. Auf der Zufahrt bewegte sich eine graue Masse von den Koppeln weg. Es schien so, als hätten graue Decken Beine bekommen und ergriffen die Flucht. Er wusste nicht, was er davon halten sollte und beobachtete das seltsame Objekt verwirrt. Als er das Glas zu Hilfe nahm, erkannte er einen Pferdekopf, der vorn aus der Verkleidung herausragte. Nun war alles klar: Man wollte mit dieser Tarnung eines der Tiere unerkannt wegschaffen. Es war aber schon zu spät, um Micha noch zu wecken oder Hilfe zu holen. Der Transport würde schon bald die Landstraße erreicht haben, wo sicherlich ein Fahrzeug zum Abtransport wartete. Er musste sofort selbst etwas unternehmen.
Mit einem Satz hatte Max den Pavillon verlassen, rutschte die niedrige Böschung hinunter und flankte über die Einfriedung des Grundstücks. Nachdem er den Graben überwunden hatte, gelangte er auf die Zufahrt und rannte dem gespenstischen Zug hinterher. Nun zahlte sich aus, dass er ein guter Sprinter war. Als er ihn fast eingeholt hatte, geschah es: Bum und bauz! Ohne jede Vorwarnung riss ihn etwas schmerzhaft von den Füßen, sodass er wie ein gefällter Baum zu Boden stürzte. Einen Moment sah er nichts. Dann war es auch schon zu spät: Eine dichte Wolke fiel auf ihn herab und hüllte ihn in schwarzer Dunkelheit ein. 
Max war durch den Sturz noch benommen und stand unter Schock. Aus weiter Ferne hörte er drei Stimmen leise darüber beratschlagen, was mit ihm geschehen sollte, ohne dass er Genaueres verstehen konnte. Was war zu tun? Nur langsam kamen seine Gedanken wieder in Schwung. In wessen Hände war er geraten? Hatte er eine Chance, mit dem Leben davonzukommen? Und wieso, zum Teufel!, kamen ihm die Stimmen irgendwie bekannt vor?
Bevor er sich darüber klar werden konnte, erhielt er überraschend Hilfe. Eine weibliche Stimme rief lautstark: »Schluss mit dem Unsinn! Das ist Gotteslästerung. Pegasus ist ein göttliches Tier, das man nicht verspotten darf ... Und nun befreit den armen Kerl.«
Das hatte nur teilweise Erfolg. Die aufgezwungene Finsternis blieb. Max hörte jedoch, wie sich Füße rasch entfernten. Wenig später lichtete sich das Dunkel und jemand half ihm beim Aufstehen. Er blickte überrascht in die hübschen Augen von Felizitas, die im Mondlicht seltsam schimmerten. Um ihren Mund lag ein verstecktes Lächeln.
»Wie kommst du hierher?«, fragte er überrascht.
»Ich konnte nicht schlafen«, erzählte das Mädchen. »Daher habe ich die Gehege vom Fenster aus überwacht. Ich wollte den Moment nicht versäumen, in dem sich eines der wundervollen Pferde in die Lüfte erhebt. Als ich die Prozession auf dem Zuweg bemerkte, wusste ich gleich, dass hier jemand Narrenpossen treibt.«
»Da warst du schlauer als ich«, gestand Max beschämt ein. »Hast du gesehen, wer es war, Felizitas?«
Das Mädchen erschauerte. »Ja, als sie die Decken auf dich warfen: Es waren drei Teufel. Ein größerer und zwei kleinere. Ich konnte deutlich die fratzenhaften, gehörnten Gesichter sehen, die einem Angst einjagten ... Wenn ich gleich bemerkt hätte, wer es war, hätte ich wohl kaum gewagt, es mit ihnen aufzunehmen. Zum Glück haben sie sich einschüchtern lassen.«
»Echte Teufel?«, fragte Max, während er fieberhaft überlegte.
»Na ja!« Felizitas lächelte fein. »Ich kenne mich da nicht so aus. Im Internat habe ich keinen getroffen.«
Max musste über den Scherz schmunzeln, wenn ihm zum Lachen auch nicht zumute war. »Und was sollte das Ganze?«
»Es war wohl ein Ablenkungsmanöver. Wir sollten nicht sehen, was in den Pferchen geschieht.«
Max hörte das letzte schon nicht mehr. Bei ihm dreht sich inzwischen das Gedankenkarussell immer schneller: Drei Teufel, zwei kleinere und ein größerer. Drei Teufel, die sich eingemischt hatten. Drei Teufel, deren Stimmen er zu kennen glaubte. War es möglich? Oh nein, das konnte nicht sein! ... Oder doch? Eine imaginäre Anzeige blinkte auf: Treffer, Treffer, Treffer!
 »Du hast Glück gehabt, dass du den Sturz heil überstanden hast«, sagte Felizitas gerade und legte ihm mitfühlend eine Hand auf den Arm. »Ist auch wirklich alles in Ordnung?«
Max war nahe daran, sich ein wenig bemuttern zu lassen. Immerhin war ihm schlimm mitgespielt worden. Aber das würde nicht zu seiner Rolle als Supermann passen, zu der er sich entschieden hatte. »Macht nichts, es ist nur ein gebrochener Arm!«, wollte er schon mit dem Spruch von Danny Kaye aus dem Film »Das Doppelleben des Herrn Mitty« antworten. Das schien ihm dann aber doch zu dick aufgetragen. »Ja«, erwiderte er stattdessen und unterdrückte mannhaft seine Schmerzen: »So was stecke ich mit links weg!« 
»Sollten wir nicht doch die Polizei benachrichtigen?«, fragte Felizitas und deutete auf das aufgespannte Seil, über das er gestürzt war. »Das war mehr als grober Unfug und hätte schlimm enden können.«
»Nein«, wehrte Max ab, »ich bin selbst schuld, dass ich die Posse nicht durchschaut habe. Außerdem halte ich ja gerade Wache ... Willst du mir nicht doch Gesellschaft leisten?«
»Du weißt doch, dass es Vater verboten hat«, erwiderte Felizitas, ganz die gehorsame Tochter. »Ich muss schnell ins Haus zurück, ehe er merkt, dass ich nicht da bin.« Mit diesen Worten drückte sie ihm noch einmal die Hand und eilte davon. Im milden Mondlicht wirkte sie in ihrem langen Kleid wie eine Elfe aus dem Wunderland.
Als sie verschwunden war, wusste Max genau, was zu tun war. Er eilte die Auffahrt hinunter, bis er die Straße fast erreicht hatte. Dort schlug er sich in die Büsche und legte das letzte Stück in sicherer Deckung zurück. Seine Vermutung war richtig: In einer Lichtung saßen drei Teufel, die gespannt zu den Koppeln hinüberschauten. Mit einem Satz war Max unter ihnen und packte die kleineren am Kragen. Der größere hätte fliehen können, blieb aber, wie erwartet, stehen.
»Hab ich doch richtig vermutet!«, schimpfte Max. »Was habt ihr hier zu suchen und warum hättet ihr mich beinahe umgebracht?«
»Frag mich nicht!« Der Belzebub setzte seine Maske ab. »Das war ihre Idee.« Mark zeigte auf die Mädchen.
»Wir haben nur mal nach dem Rechten gesehen«, erklärte Lotte unschuldig. »Und jetzt lass uns los!«
»Ja!«, schloss sich Karo an. »Du tust mir weh! Wir wollten nur sehen, ob ihr nicht in eurem Blute liegt.«
»Total fürsorglich«, sagte Max ironisch, während er die Missetäter freigab. »Und bei Tage war euch das nicht möglich?«
»Nein«, erwiderte Karo. »Ihr hattet uns das ja verboten.«
»Und nachts wart ihr in größerer Gefahr«, fügte Lotte hinzu.
»Echt uneigennützig«, spöttelte Max. »Und wie kommt ihr darauf, dass es hier gefährlich ist?«
»In der alten Mühle wird das erzählt«, mischte sich Mark ein und erklärte kurz, wo sie untergekommen waren. »Rupert hält den Hengst für eine Ausgeburt der Hölle.«
»Und wir haben erlauscht, dass man euch etwas Schlimmes antun will«, fügte Karo hinzu.
»Ihr sollt ›ein blaues Wunder‹ erleben«, ergänzte Lotte.
»Und warum will man das tun?«, fragte Max. 
»Ihr stört bei einer gewissen Sache«, erwiderte Lotte.
»Man will euch aus dem Weg ... aus dem Weg ...«, stotterte Karo.
»... schaffen«, vollendete Lotte den Satz. 
»Na ja, schlimmer, als das, was ihr mir zugefügt habt, kann es wohl nicht werden«, äußerte Max sarkastisch. »Vielleicht bezog sich die Voraussage auch - hellsichtig! - auf eure Aktivitäten ... Und jetzt sagt, was der Gespensteraufzug sollte.«
»Wir mussten uns doch verkleiden, damit man uns nicht erkennt«, sagte Lotte. »Ich habe das mit dem Pferd vorgeschlagen.«
»Und für alle Fälle habt ihr euch auch noch als Teufel getarnt?«, frotzelte Max. »Sie kamen ja gewissenmaßen zur Besuchszeit.«
»Gut, nicht?«, sagte Karo stolz. »Das war mein Vorschlag.«
»Und als sie sich nicht einigen konnten ...«, begann Mark.
»... haben wir gedacht: doppelt hält besser«, ergänzte Lotte. »Und, wie du gesehen hast, sind wir gut damit gefahren.«
»Und der Strick über dem Weg?«, erkundigte sich Max noch.
»Sollte uns vor Verfolgung schützen«, sagte Lotte. »Es hat ja auch gut geklappt ... Pech, dass du es warst.«
Max begab sich schließlich zum Pavillon zurück, nachdem er die drei mit allerlei Ermahnungen und Drohungen zur Mühle zurückgeschickt hatte. Er ärgerte sich natürlich, dass er auf die Täuschung hereingefallen war, von der Micha zum Glück nichts mitbekommen hatte. Er hätte damit rechnen müssen, dass die ›Frischlinge‹ nachkommen und Ärger machen würden, wenn sie konnten. Sie hatten sich vom Gerede über das ›Teufelspferd‹ anstecken und zu der verrückten Hilfsaktion verleiten lassen, die aber völlig überflüssig war. Es mochte zutreffen, dass sie, die Jungen, einigen im Wege waren. Sie waren ja gekommen, um irgendwem kräftig auf die Füße zu treten. Und das würden sie. Er war sich aber sicher, dass nicht sie es waren, die am Ende ›ihr blaues Wunder‹ erleben würden.
Max entspannte sich. Seine Gedanken wurden langsamer und von der stärker werdenden Müdigkeit getrübt. Er sah alles in einem milderen Licht. Das Auftauchen der falschen Teufel war eigentlich ganz hilfreich gewesen: Hatte es doch das gewünschte Zusammentreffen mit Felizitas ermöglicht. Wie hübsch sie im Mondlicht ausgesehen hatte. Und wie tapfer sie ihm zu Hilfe gekommen war. 
Vor allem beeindruckte ihn, wie unbeirrt sie an ihren Überzeugungen festhielt, als sei jeder Irrtum ausgeschlossen. Wenn sie so begeistert von Pegasus und Chrysaor sprach, konnte man meinen, sie rede von Tatsachen. Aber vielleicht waren sie das auch? Wieso sollten Überlieferungen nicht wahr sein, die viele Bücher füllten? Und warum sollten die Wunderpferde nicht auf die Erde zurückgekommen sein? Als göttliche Geschöpfe waren sie unsterblich und mussten noch heute existieren. In ihrer unverbildeten Art konnte Felizitas wohl ihre göttliche Anwesenheit spüren. Wenn er an sie dachte, schien ihm alles möglich.
Er starrte auf das Gehege, in dem sich PELARUS befand. Er sah alles ganz klar, aber irgendwie mit veränderten Augen. Es war, als wäre er in einer höheren Ebene des Bewusstseins angelangt. Auf einmal wurde die Einfriedung durchsichtig. Er bemerkte, wie der Rappe seine verborgenen Flügel ausklappte und in weiten Kreisen majestätisch zum Himmel emporstieg: Er konnte ihn deutlich im Mondlicht über sich hinwegfliegen sehen. 
ENDE DER LESEPROBE!

 

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