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Das unbekannte Flugobjekt

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Einführung: Die Junior-Detektive sind wieder gefragt. Ein geheimnisvoller Kugelblitz rast nachts durch den Wald, der jedes Hindernis beiseitefegt. Sind tatsächlich Außerirdische am Werk, wie die Anwohner vermuten? Zugleich schwindet beim Holzer-Bauern der kostbare Zirbenschnaps. Können die Jungen - unterstützt durch Max‘ umtriebige Schwestern Lotte und Karo - die Herausforderung meistern?

 

 LESEPROBE: Erstes Kapitel: Eine ungewöhnliche Einladung

Das kann doch nicht wahr sein!, schoss es ihm durch den Kopf. Aber ich bilde es mir nicht ein - es passiert wirklich.

Max hatte in der Nacht denkbar schlecht geschlafen. Das Bett war zerwühlt, als sei es der Austragungsort nächtlicher Kämpfe gewesen. Und das kam der Wahrheit nahe: In seine Träume hatte sich nämlich der Wolf eingeschlichen, von dem er gleich nach der Ankunft in St. Wolfgang durch den Bergwald gejagt worden war. Micha hatte ihn zwar als »gezähmt« bezeichnet. Aber Max sah das anders. Ihm gegenüber hatte sich »Gandalf«, wie sein Freund das Tier nannte, als ausgesprochen mordlüsterner Geselle gezeigt. Die nächtliche Verfolgungsjagd war alles andere als ein Spaß gewesen und letztlich hatte er es nur dem Dazwischentreten der »Trampler« zu verdanken, dass er mit heiler Haut davongekommen war.

Auf jeden Fall spukte der riesige Wolf in der Fantasie des Jungen weiter als gefährliches Ungeheuer herum und im Schlaf wurde er zu einem blutrünstigen Schreckgespenst, das nur noch das eine Ziel kannte, ihn um sein Leben zu bringen. Wohin er auch ging, das Untier war stets zur Stelle und Max starb hundert Tode. Er wachte jedes Mal schweißgebadet auf und registrierte dann mit großer Erleichterung, dass er nur geträumt hatte.

In dem Albtraum, dem er gerade entronnen war, hatte ihn die Bestie sogar im Hotelzimmer aufgespürt und mit scharfen Zähnen aus dem Bett ziehen wollen. Zum Glück war er noch rechtzeitig wachgeworden.

Ich sollte in Zukunft besser auf Schlaf verzichten, dachte Max. Er wusste aber, dass er dies nicht lange durchzuhalten vermochte. Denn nach der schrecklichen Nacht war er zerschlagen und hundemüde. Aber vorerst würde er die Augen nicht mehr schließen.

Er setzte sich aufrecht und stellte überrascht fest, dass etwas im Zimmer anders war: Das dicke Fell-Dingsda vor dem Bett war beim Schlafengehen noch nicht da gewesen. Lotte und Karo mussten es wohl aus dem Keller raufgeschleppt haben, um gut Wetter zu machen. Schließlich hatten sie sich immer wieder unmöglich aufgeführt und ihm den letzten Nerv gekostet.

Womit hatten sie ihn beglückt? Ein ausgestopftes Tier! Es lag auf der Seite, den Kopf angelegt und die Beine weit von sich gestreckt. Der Präparator musste ein Meister seines Faches gewesen sein. Das Fell glänzte seidig und hatte nichts von seiner Natürlichkeit verloren.

Was war es? Lange spitze Schnauze, gestreckter Körper, buschiger Schweif und graues Fell. Also ein ...?  Stopp! Er weigerte sich weiterzudenken: Nach den wilden Träumen der Nacht war ein Wolf der Letzte, dem er jetzt begegnen mochte.

Sein erster Gedanke war, über das Hindernis zu springen und aus dem Zimmer zu laufen. Dann sagte er sich, dass von dem Ding nicht die geringste Gefahr mehr ausging: Mochte es auch, als es noch lebte, ein gefährliches Raubtier gewesen sein. Jetzt war es tot, ausgestopft und wollte nützlich sein. 

Mutig geworden, berührte er das Fell mit dem bloßen Fuß. Es fühlte sich so weich und warm an, wie er erwartet hatte. Aber dann: Mein Gott! Was war das? … Er zuckte zurück, als hätte ihn ein Stromschlag getroffen. Hatte sich nicht gerade etwas bewegt?

Erschreckt hielt er inne und Panik meldete sich wieder. Auf einmal vermeinte er ein leises Kichern zu hören und da fiel es ihm wie Schuppen von den Augen: Ha! Dass er nicht gleich daran gedacht hatte. Es handelte sich um einen Streich seiner hinterlistigen Schwestern, von denen eine unter dem Fell steckte. Sie hatten von seinem Abenteuer mit dem Wolf erfahren und wollten ihn jetzt erschrecken. Doch da waren sie an den Falschen geraten. Den Spaß wollte er ihnen gründlich verderben.

»Da müsst ihr schon früher aufstehen, wenn ihr mich reinlegen wollt!«, rief er und trat mit dem Fuß kräftig auf die Tierattrappe.

Huch und weh! Das hätte er besser bleiben lassen. Denn diesmal war die Reaktion eindeutig und völlig anders als erwartet: Das ausgestopfte Wolfsfell erwachte urplötzlich zum Leben. Ein drohendes Knurren ertönte, während der Kopf in die Höhe schnellte und scharfe Zähne nach dem Störenfried schnappten, bevor sich auch noch der Leib erhob.

»Hilfe, das Ding lebt!« Max stand mit einem Satz aufrecht im Bett. Als ihm das Tier dorthin folgte, flüchtete er auf das massive Kopfteil des hölzernen Gestells. Der Angreifer war aber so nicht abzuschütteln. Er richtete sich auf und fixierte ihn mit tückisch funkelnden Augen, aus denen die Mordlust sprach, während er das messerscharfe Gebiss entblößte.

Es war klar, dass es mit ihm aus war, wenn er sich nicht schnell etwas einfallen ließ. Die Bestie würde seine Beine packen und ihn herunterreißen. Es erforderte nicht viel Fantasie, sich vorzustellen, was dann kam: Er meinte schon, seine Knochen knacken zu hören.

Verzweifelt suchte er nach einem Platz, der hoch genug lag, um aus der Reichweite des Angreifers zu gelangen. Sein Blick fiel auf den grünen Kachelofen, der nicht weit vom Bett entfernt in der Ecke stand. Er endete in einer runden Kappe, auf der man zur Not sitzen konnte.

Also! Max tat, als wollte er sich den Weg zur Tür freikämpfen. Er trat nach dem Tier, sodass es zurückwich. Den Moment nutzte er, um rasch nach der anderen Seite hinabzuspringen und auf den Ofen zu klettern. Das geschah so schnell, dass es der Wolf nicht verhindern konnte.

»Jetzt wirst du dir ein anderes Opfer suchen müssen«, rief Max erleichtert. Er war in Sicherheit, aber wurde belagert. Wenn er nicht ewig da oben bleiben wollte, musste er das Tier vergrämen. Er fand eine Plastikflasche, die beim Putzen vergessen worden war, und schleuderte sie dem Biest auf die Nase, das dies mit einem Geheul aus Schmerz, Enttäuschung und Wut quittierte.

»Was machst du mit Gandalf!«, fragte Lotte. Seine Schwestern hatten die Tür geöffnet. »Belohnst du so seine Kurierdienste?!«

»Wehe, wenn wir ... ja, wenn wir … das Micha erzählen!«, ergänzte Karo. »Er wird dir schon beibringen, wie man ... Tiere verschandelt!«

»Behandelt«, verbesserte Lotte schulmeisterlich.

»Ich weiß nicht, was ihr wollt«, verteidigte sich Max. »Ich kämpfe mit einer blutrünstigen Bestie, die in mein Zimmer eingedrungen ist, um hier zu vollenden, was bei der ersten Begegnung nicht gelungen ist.«

»Unsinn!«, widersprach Lotte. »Gandalf ist nicht eingedrungen: Wir haben ihn eingelassen, damit er dir seine Botschaft überbringen kann. Er wollte dich zunächst wecken, indem er dich am Arm zog. Als das nichts half, war er so rücksichtsvoll, dich schlafen zu lassen, und machte selbst eine Ruhepause. Schließlich hatte er einen langen Lauf hinter sich. Zum Dank dafür hast du ihn misshandelt.«

»Was für eine Botschaft?«, fragte Max entgeistert.

»Er hat eine Tasche umgeschnallt. Vielleicht geruhst du, herunterzusteigen und die Nachricht zu lesen. - Hihi! Sieht übrigens mächtig komisch aus, wie du so verängstigt auf dem Ofen hockst. Wie eine Katze, die sich vor einem bissigen Hund auf den Baum geflüchtet hat. Wir sollten das unbedingt für die Nachwelt festhalten.«

»Untersteh dich!« Max nahm schnell einen Schneidersitz ein, kreuzte die Arme und bemühte sich um eine würdevolle Haltung. »Den Gläubigen darf man bei seiner Andacht nicht stören. Und fotografieren ist schon gar nicht erlaubt.«

»Welche Andacht?«, fragte Lotte. »Ich dachte, du hättest nur …«

 »... Schiss!«, ergänzte Karo.

»Nein! Sicher nicht!« Max machte eine abwehrende Handbewegung. »Ich habe nie Angst ... Ihr versteht das Ganze falsch: Ich betreibe meine Yogaübungen.«

»Wäre das am Boden nicht einfacher?«, fragte Lotte.

»Darum geht es nicht! Eine Versenkung in das Nirwana lässt sich umso leichter erreichen, je unbequemer der Sitz ist. Am besten wäre ein Laternenpfahl geeignet; aber der ist ja nicht zur Hand.«

Inzwischen hatte Max entdeckt, dass Gandalf tatsächlich eine Tasche um den Hals trug. Die Geschichte, die die Mädchen erzählt hatten, schien also richtig zu sein. Er war aber zu vorsichtig, um den mühsam erkämpften Zufluchtsort vorschnell aufzugeben. Außerdem musste er jetzt bei seiner Rolle als frommer Fakir bleiben.

»Lest mir vor, was Micha geschrieben hat«, gebot er. »Ich bin mit meiner Übung noch nicht ganz fertig.«

Er sah dann erstaunt, dass die Mädchen keine Scheu zeigten, den Auftrag auszuführen. Während Karo dem Wolf den Kopf kraulte und ihm beruhigend zusprach, nahm Lotte die Nachricht aus der Tasche. Sie überflog sie und las dann vor:

»Hi Max! Wenn du etwas über ›fliegende Untertassen‹ hören willst, dann komm zum zweiten Frühstück zu uns herauf! Unser Knecht hat letzte Nacht eine ›Begegnung mit Außerirdischen‹ gehabt, über die er berichten soll. Ich schicke dir Gandalf, damit du sicher zum Gut hinaufgelangst. Gruß Micha«

Lotte brach ab. »Das scheint ein neuer Fall für die Junior-Detektive zu werden. Es versteht sich von selbst, dass ihr uns daran beteiligst. Du hast ja gesehen, wie gut wir das in Bad Ischl gemacht haben.«

»Dass ihr die Trickdiebe festsetzen konntet, war weitgehend unser Verdienst«, pflichtete ihr Karo bei.

»Vergesst es!«, rief Max. »Die Sache scheint mordsgefährlich zu sein. Und ist wirklich nichts für kleine Mädchen.«

»Pass auf, was du sagst!«, drohte Lotte. »Sonst müssten wir am Ende noch erzählen, was du treibst, wenn ein liebes Tier zu Besuch kommt.«

»Und ein Foto von dir auf dem Kachelofen, wird ... ja, wird ... sicherlich ein Verkaufslager«, ergänzte Karo.

»Verkaufsschlager«, berichtigte Lotte. »Aber, das stimmt: Es gibt nicht jeden Tag einen Superhelden als Jammerlappen zu sehen.«

Zweites Kapitel: Josefs Erzählungen

Eine halbe Stunde später war Max schon unterwegs. Es war klar, dass er sich das nicht entgehen lassen durfte. Bei der »Begegnung mit Außerirdischen« handelte es wohl um die nächtlichen Umtriebe, von denen Micha besorgt gesprochen hatte. Und die schienen haarig zu sein, wenn er die Lage weiterhin als unsicher einschätzte und sogar dem Telefon misstraute.

Seine Eltern hatten keine Schwierigkeiten gemacht. Sie hatten sich inzwischen daran gewöhnt, dass ihr Sohn den Urlaub vorwiegend bei Micha verbrachte. Er hatte allerdings den wirklichen Anlass der Einladung nicht erwähnt, der sicherlich weniger gut angekommen wäre. Auch Lotte und Karo hatten hoch und heilig versprochen dichtzuhalten. Dafür hatten sie ihm gewisse Zusagen abgepresst, von denen Micha besser nichts erfuhr.

Gandalf hatte inzwischen vorm Hotel gewartet, wohin ihn die Mädchen gebracht hatten. Max war natürlich immer noch nicht von seiner Harmlosigkeit überzeugt. Wenn er Micha aber nicht verärgern wollte, blieb ihm bedauerlicherweise nichts anderes übrig, als sich mit der Begleitung abzufinden. Er achtete aber darauf, immer einen gebührendem Abstand einzuhalten. Der Wolf erleichterte das, indem er vorauslief und sich nur ab und zu umsah, ob der Junge auch folgte.

Micha erwartete seinen Gast bereits an der Hofeinfahrt. »Da seid ihr ja«, rief er erfreut. »Gandalf hat dich also sicher heraufgebracht.«

Ohne die Begleitung hätte ich mich bestimmt sicherer gefühlt, ging es Max durch den Kopf. Aber er sprach es klugerweise nicht aus. »Kann man sagen, Alter«, erwiderte er stattdessen. »Es geht nichts über einen Wolf an seiner Seite.« Er hoffte nur, dass man ihm die faustdicke Lüge nicht ansah. »Gibt es was Neues von der Verbrecher-Front?« Er dachte an die Trickdiebe, denen sie gerade das Handwerk gelegt hatten.

Micha verstand, was gemeint war. »Kein Grund zur Beunruhigung«, erwiderte er. »Die Gauner sitzen alle noch. Und so wird es auch bleiben. Nachdem wir auch den Boss überführt haben, werden sie ihrer Strafe nicht entgehen ... Dafür haben wir, wie ich dir schrieb, jetzt ein anderes Problem.«

»Sind tatsächlich Außerirdische gelandet, Micha?«

»So ist es, Junge! Sie warten schon auf dich. So ein kultiger nordischer Typ fehlt noch in ihrer Sammlung. Der Spiritus steht schon bereit, in den sie dich einlegen wollen.«

»Mann, lass den Scheiß!«, protestierte Max. »Mit so was spaßt man nicht! Das ist doch ein Joke, nicht wahr?«

 Micha feixte. »Warten wir´s ab. Du wirst gleich alles erfahren ... Aber lass dir vor meinen Eltern nichts davon anmerken, dass wir uns mit der Sache befassen wollen.«

»So, wollen wir das?«, fragte Max unsicher. »Ist das nicht eine Nummer zu groß für uns?«

»Der Mensch wächst mit seinen Aufgaben« , erklärte Micha. »Und nicht jeder, der aus dem Rahmen fällt, war vorher im Bilde.«

»Aber, es ist kein Fortschritt, wenn Kanibalen mit Messer und Gabel essen. Und zu mehr sind wir wohl nicht in der Lage.«

Die Wohnküche des Herrenhauses war riesig und hätte jedem Heimatmuseum zur Ehre gereicht. Ein schmiedeeiserner Leuchter, als Wagenrad geformt, zierte die Decke. Tisch und Stühle bestanden wie alle anderen Möbel aus Zirbelholz. Ein breites Küchenbüfett mit einem offenen Aufsatz für Teller nahm das Geschirr auf. Auf der anderen Seite des Raumes stand eine kunstvoll verzierte Anrichte, auf der die Schüsseln vor dem Servieren abgestellt wurden. Das Schmuckstück war ein dreigliedriger eiserner Küchenherd, der in den ehemals offenen Kamin eingebaut worden war. Er konnte bei Bedarf noch wie früher mit Holz und Kohle beheizt werden.

Es waren bereits alle zum zweiten Frühstück um den großen Esstisch versammelt. Nachdem der Besucher von Michas Eltern begrüßt worden war, wurde er mit den anderen bekannt gemacht. Maria, die Magd, kannte er ja schon. Sie hatte seine Kleidung gereinigt, als er in den Schlamm gefallen war. »Da hast du es doch tatsächlich geschafft, um das Schlammloch einen Bogen zu machen!«, witzelte sie.  »Gut für mich! Da spare ich mir viel Arbeit!« Neben ihr saß ein langer dünner Mann, der verkatert wirkte. Er sah irgendwie verstört aus, als hätte er eine Erscheinung gehabt. »Das ist Josef, unser Knecht«, stellte Micha vor. »Und wenn wir es richtig anstellen, wird er uns gleich was erzählen! … Und hier hinten sitzt mein kleiner Bruder Mark«, fügte er hinzu. »Du wolltest ihn doch unbedingt kennen lernen.« Er deutete auf einen auffallend hübschen Jungen, der sich bescheiden im Hintergrund hielt. »Tätschle nicht seinen Kopf: Sein Haar wird schon ganz schütter.«

»Keine Angst«, lachte Max. »Ich kann mich gerade noch beherrschen.« Er musste neidvoll eingestehen, dass Mark wirklich gut aussah. Es verwunderte nicht, dass ihm die Mädchen die Bude einrannten.

»Du musst nicht alles glauben, was man erzählt.« Mark lächelte verlegen. »Ich bin keineswegs ...«

»Schon gut«, unterbrach Max. »Kein Grund zur Entschuldigung: Nach dem, was ich sehe, würde ich jederzeit mit dir tauschen.«

Als die Jungen Platz genommen hatten, wurde das Essen aufgetragen und alle griffen herzhaft zu. Auch Max stürzte sich darauf, weil er bei dem eiligen Aufbruch um sein Frühstück gekommen war.

»Jetzt kannst du deine Geschichte erzählen«, forderte Andreas Bestmann den Knecht auf. »Zier dich nicht länger und leg los, Josef!«

Der wollte aus irgendeinem Grund nicht mit der Sprache heraus. »Ja mei«, äußerte er. »Hat man denn net mal beim Mahlzeiten sei Ruh.«

»Es wird ihm peinlich sein«, warf die Mutter ein.

»I glaub eher, er fürcht sich«, korrigierte die Magd. »Er hat einfach eine Angst, darüber zu schwätzen.«

»Maria hat Recht«, pflichtete Micha bei. »Es ist der Aberglaube, der ihn hindert, das Maul aufzumachen.«

»Stimmt net«, knurrte der Knecht. »I kann nur net über was ratschen, was i selber net weiß.«

»Dann versuch es doch wenigstens«, mahnte der Hausherr. »Was hast du nicht mitbekommen?«

»Na, was mi umgehaut hat!«

»Du bist gestürzt?«, fragte Michas Mutter erschrocken. »Dann hattest du sicherlich wieder zu viel Schnaps getrunken.«

Josef schüttelte entrüstet den Kopf. »Da sehn Sie 's, Chef, weshalb i nix sagen will. Jetzt steh i wieder als Säufer da.«

»Unsinn, Josef! Sei nicht so empfindlich«, begütigte Bestmann. »Red nur frei von der Leber weg.«

»Also, i war gestern Abend beim Holzer-Bauern in seina Jausenstubn, um wieder mal ein Gespräch unter Mannsbildern zu führen ...«

»... um wieder mal ein Besäufnis zu veranstalten«, verbesserte Micha.

»Na, reden macht halt Durst«, antwortete Josef. »Apropos Durst: I glaub, mein Glaserl ist schon wieder leer.«

»Dann füll es ihm auf, Maria«, bestimmte der Gutsherr. »Damit wir endlich erfahren, was passiert ist.«

»Ang´fangen hat’s, dass sich der Holzer-Bauer darüber beschwert hat, dass sein Zirbengeist, den er selber brennt, rapide schwindet.«

»Das sage ich doch«, warf Frau Bestmann ein. »Ihr trinkt zu viel. Das ...«

»Lass die Vorwürfe, Mutter«, unterbrach Micha. »Wenn ich richtig verstanden habe, geht es um Dinge, die nicht von dieser Welt sind, also um rätselhafte überirdische Phänomene.«

»Ja, beim Holzer ist der Schnaps von allein geschwunden«, fiel der Knecht dankbar ein, »als wenn er sich selber trinken tät.«

»Jetzt sprich im Zusammenhang!«, versuchte Andreas Bestmann den Bericht zu ordnen. »Das Durcheinander versteht doch niemand.«

»Nun gut, wenn´s sein muss!« Josef hatte sich inzwischen Mut angetrunken »›Kruzitürken!‹, hat der Holzer-Bauer g’flucht, als wir ins Gespräch kamen. ›Himmelherrgott Sakrament! Ist das eine Mordssauerei!‹

›Was meinst?‹, hab i g´fragt.

›Der große Glasbehälter mit dem Zirbengeist war leer‹, hat er geantwortet. ›Ich hab ihn grad austauschen müssen. Dabei war er heute Mittag noch halbvoll, als ich ...!‹

›Ja mei! Es schmeckt halt so gut!‹, hab i g’sagt.

›Is schon richtig! - Aber heut war Ruhetag!‹, hat der Holzer g’sagt.

›Eben!‹, hab i g´sagt, ›da konnst du in d’Ruhe ...‹

›Nix da!‹ Der Holzer wurde richtig wütend. ›I war aus’ n Haus und bin grad hoamkema.‹«

»Zur Sache, Josef!«, mahnte der Gutsherr. »Du verlierst dich in Nebensächlichkeiten.«

»Ihnen kann man’s auch gar net recht machen«, erwiderte der Knecht beleidigt. Dann fuhr er fort: »Wia i hoamganga bin ...«

»Heim g´schwankt!«, verbesserte die Magd, die miterlebt hatte, wie der Knecht zurückgekommen war.

»Ich vermute, es wurde schon langsam hell«, fiel Frau Bestmann ein.

»Das stimmt net, Chefin! Es war stockdunkel. I hab d’ Hand vor de Aug’n net g’sehn! Deshalb hab i so lang braucht. Sonst wär’s Ding a net kemma.«

»Wovon sprichst du, Josef?«, wollte der Hausherr wissen. »Werd bittschön deutlicher. Ich habe nach wie vor nichts verstanden.«

»Das geht net, i mein, deutlicher werden«, bemerkte der Knecht, »weil i’ selber net woaß, was  g’schehn is’ gestern!«

»Ich schlage vor, Vater, ihr lasst Josef erzählen, wie er will, sonst kommen wir nie zum Ende.« Micha hatte die Geschichte schon gehört und wusste, wie es um die sprachlichen Fähigkeiten des Knechts bestellt war.

»Wia i den Berg abiganga bin«, fing der nochmals an, »i hab vor mich hintappt, um net im Finstern zu stolpern, da hat mich aufamol ein Lichtschein eing’hüllt, als wär der Himmel aufganga und hätt’ sein Glanz auf mich g’worfen!« Josef unterbrach und bekreuzigte sich.

»Es wird wohl eher was Unheiliges gewesen sein«, mutmaßte Micha, »wenn ich bedenk, wie es weitergegangen ist.«

»Was ist denn, in Gottes Namen, geschehen?«, wollte Andreas Bestmann wissen. »Ich verliere langsam die Geduld.«

»Es hat mich wie loses Spreu in der Windmaschin weg´blasen«, sagte der Knecht seufzend. »I hab erst g’merkt, was g’schehn is, wia i im Graben g’legen bin.«

»Dann war es sicher eines eurer Rinder«, flüsterte Max halblaut.

»Nix da! Die sind all beianand im Stall g’standen«, verbesserte Josef, der die letzten Worte gehört hatte. »Ich hab nachg’schaut, bevor i ganga bin. Außerdem können die Viecher net leuchten und durch die Luft fliegen, wie´s das Ding g’tan hat.«

»Hast du denn gar nichts gesehen?« Man sah dem Gutsherrn an, dass er das Ganze für die Ausgeburt eines trunkenen Geistes hielt.

Josef machte eine ungeduldige Handbewegung. »Wie sollt i? - Das Ding is’ wie ein Kugelblitz durch die Luft g’saust und war verschwunden, wia i mich aufg’rappelt hab ... Aber danach hat es rundumadum nach Zirbengeist g’rochen. Sogar mein Janker hat gestunken!«

»Das wird schon seinen Grund haben ...«

»Nein, das war’s nicht, Mutter«, verbesserte Micha nochmals. »Wenn ich Josef richtig verstanden habe, duftete nicht nur er, sondern auch die ganze Umgebung.«

»Stimmt das, Josef?«, fragte der Hausherr.

»Sag ich’s doch, Chef! Es war, als ob das Ding da auf  a’ner Zirbenwolkn angedüst wär.«

»Hast du den Weg abgesucht?«, fragte Micha.

Josef schüttelte entrüstet den Kopf. »Wie sollt das gehen? I hab ja nix sehen könna.«

»Dann lass dir in Zukunft besser heimleuchten«, witzelte Micha.

»Oder nimm eine Taschenlampe mit«, ergänzte der Gutsherr.

»Das wird alles nichts helfen, wenn er sich nicht mehr auf den Beinen halten kann«, bemerkte Michas Mutter.

Eine Weile wurde noch herumgeflachst. »So leid es mir tut«, äußerte schließlich der Hausherr. »Aber wir müssen wieder an die Arbeit. - Micha kann ja mit seinem Freund zum Holzer-Bauern hinaufgehen und schauen, ob an der Geschichte was dran ist. Am helllichten Tag passiert euch schon nichts!«

 

ENDE DER LESEPROBE

 

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